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Es ist deutsch in Kaltland
Neu: "Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik
und ihre tödlichen Folgen" - 13. Auflage
Die jährlich erscheinende Dokumentation der Antirassistischen
Initiative Berlin beschreibt in über 4700 Einzelgeschehnissen die
Auswirkungen des institutionellen Rassismus der BRD auf die Betroffenen
selbst. Auf Flüchtlinge, die gehofft hatten, in diesem Land Schutz
und Sicherheit zu finden, und letztlich an diesem System zugrunde gingen
oder zu Schaden kamen.
Während immer weniger Flüchtlinge überhaupt ins Land
kommen und immer weniger Flüchtlinge hier ein Bleiberecht erhalten
– im letzten Jahr wurden 411 (!) Personen als asylberechtigt anerkannt
– arbeiten Behörden und Gerichte unerbittlich an dem Ziel, die Flüchtlinge,
die hier sind, aus dem Land zu schaffen.
Diese Tatsache trifft vor allem die Menschen, die seit Jahren hier
sind und die versucht haben - trotz der vielen Einschränkungen und
Schikanen staatlicherseits - eine positive Lebensperspektive zu entwickeln.
Dies gelingt den wenigsten.
Viele Flüchtlinge sind durch Verfolgung im Herkunftsland, durch
Folter, durch Kriegserlebnisse oder durch die Flucht physisch und vor allem
psychisch traumatisiert. Sie sind krank und bedürfen intensiver und
oft jahrelanger Behandlung. Und sie brauchen ein angstfreies Umfeld und
persönliche Sicherheit, um Bodenhaftung und Stabilität zu bekommen
und eine Lebensperspektive entwickeln zu können.
Sehr viele dieser Flüchtlinge sind formal-juristisch "ausreisepflichtig"
und somit akut von Abschiebung bedroht. Allein aufgrund von ärztlichen
Gutachten gelingt es, Aufenthaltsverlängerungen in Form von sogenannten
Duldungen zu bewirken. Die Flüchtlinge haben dann scheinbar eine Aussetzung
der Abschiebung für ein paar Monate, oft nur für ein paar Wochen
oder Tage. Danach geht der Horror weiter: der nächste Besuch der Ausländerbehörde
steht an, und niemand weiß, ob in der Behörde die Festnahme
zur Abschiebung erfolgt.
Über Jahre hinweg ausgestellte Duldungen bedeuten also: jahrelange
Angst vor Abschiebungen. Ein Leben im Wartestand, ein Leben zwischen Hoffnung
auf ein dauerhaftes Bleiberecht und Fassungslosigkeit und Panik bei ablehnenden
Bescheiden. Das bedeutet auch explizit eine Verhinderung der seelischen
Gesundung von Traumatisierten – oft zudem eine deutliche Verschlechterung
der Erkrankung bis hin zu regelrechten Re-Traumatisierungen.
Betroffen von diesem Dilemma ist nicht nur die traumatisierte Person,
betroffen ist jedes Mitglied der Familie. Vor allem Kinder stehen anderen
Verantwortungen gegenüber, weil sie Rollen übernehmen müssen,
die ihre kindliche Entwicklung stark beeinflussen können. Aufgrund
ihrer besseren Sprachkenntnisse sind sie bei Behördengängen oder
Arztbesuchen der Erwachsenen oft dabei, um zu übersetzen. Sie übernehmen
die Fürsorge für ihre kranken oder überforderten Eltern
oder ihre älteren Geschwister. Sie sind mehrfach belastet und wachsen
mit der Angst auf, unerwartet in das Land abgeschoben zu werden, vor dem
ihre Eltern so große Angst haben, das sie selbst nicht kennen und
dessen Sprache sie oft nur lückenhaft beherrschen. Sie müssen
auch jahrelang mit der Angst leben, aus ihrem sozialen Umfeld gerissen
zu werden, um im Nirgendwo zu landen.
In der 13. Auflage der Dokumentation "Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik
und ihre tödlichen Folgen" nehmen derartige Familiengeschichten immer
mehr Raum ein. Die allermeisten Suizide und Suizidversuche sind Folge der
jahrelangen Zermürbungs- und Vertreibungstaktik deutscher Behörden
und Gerichte. Auch die behördliche Brutalität, die nicht davor
zurückschreckt, Kinder von ihren Müttern oder Vätern zu
trennen oder traumatisierte Menschen aus Klinikbetten zur Abschiebung wegzuschleppen,
hat in den letzten zwei, drei Jahren deutlich zugenommen.
Die Zahlen in der Dokumentation stellen nur einen kleinen Teil der
Flüchtlingsrealität dar. Die Dunkelziffern sind mit Sicherheit
wesentlich höher.
Die Dokumentation umfaßt den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 31.12.2005.
162 Flüchtlinge starben auf dem Wege in die Bundesrepublik Deutschland
oder an den Grenzen, davon allein 121 an den deutschen Ost-Grenzen. 439
Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt Verletzungen, davon
259 an den deutschen Ost-Grenzen. 131 Flüchtlinge töteten sich
angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder starben bei dem Versuch, vor
der Abschiebung zu fliehen, davon 49 Menschen in Abschiebehaft. 629 Flüchtlinge
haben sich aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende
Abschiebung (Risiko-Hungerstreiks) selbst verletzt oder versuchten, sich
umzubringen, davon befanden sich 393 Menschen in Abschiebehaft. 5 Flüchtlinge
starben während der Abschiebung und 299 Flüchtlinge wurden durch
Zwangsmaßnahmen oder Mißhandlungen während der Abschiebung
verletzt, 23 Flüchtlinge kamen nach der Abschiebung in ihrem Herkunftsland
zu Tode, und mindestens 397 Flüchtlinge wurden im Herkunftsland von
Polizei oder Militär mißhandelt und gefoltert. 62 Flüchtlinge
verschwanden nach der Abschiebung spurlos.
12 Flüchtlinge starben bei abschiebe-unabhängigen Polizeimaßnahmen,
380 wurden durch Polizei oder Bewachungspersonal verletzt, davon 127 Flüchtlinge
in Haft.
67 Menschen starben bei Bränden oder Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte,
725 Flüchtlinge wurden z.T. erheblich verletzt. 13 Menschen starben
durch rassistische Angriffe auf der Straße.
Ein Fazit: Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen 333 Flüchtlinge
ums Leben - durch rassistische Übergriffe oder bei Bränden in
Unterkünften starben 80 Flüchtlinge.
Seit der polizeilichen und gewaltsamen Räumung des Hausprojektes
Yorck59 (www.yorck59.net)
mit seinen politischen und kulturellen Projekten am 6.6.05 und der
Besetzung des Südflügels vom
Haus Bethanien am 11.6.05 haben wir eine neue Adresse:
Antirassistische Initiative e.V. - Dokumentationsstelle - Haus Bethanien
– Südflügel
Mariannenplatz 2 - 10997 Berlin - Fon 030 – 74395432 - Fax
030 – 62705905
eMail: ari-berlin-dok@gmx.de - Internet: www.antirar.de/doku/titel.htm
358 Seiten 13,00 € (plus 1,60 € Porto & Verpackung)
Antirassistische Initiative e.V.
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